Trockenmauern auf Mallorca
Die Trockenmauern (Mallorquin: Pedra en sec, marges) prägen das Inselbild Mallorcas wie kaum ein anderes Element.
Der Name Trockenmauer rührt von ihrer Bauweise ganz ohne Mörtel. Die Steine tragen sich aufgrund ihrer speziellen Schichtung gegenseitig. Eine solche Feldsteinmauer zu errichten ist daher auch nicht ganz leicht. Zwischen zwei äußere Mauern wird Schotter und Bodenmaterial geschüttet, darüber kommt eine weitere Schicht flacher Steine. Wenn alles gut verkeilt ist, hält die Mauer sehr sehr lange.
Trockenmauern entstanden aus einer schlichten Notwendigkeit heraus: Um landwirtschaftliche Flächen zu gewinnen, mussten die steinigen Felder von den zahlreich vorhandenen Steinen befreit werden. Diese Steine fanden im direkten Umfeld eine optimale Verwendung – als Begrenzungen für Fincas, als Stützmauern für terrassierte Felder oder als Einzäunungen für Vieh. So war das Baumaterial quasi schon vor Ort verfügbar, und die Landschaft formte sich gleichzeitig als Kulturlandschaft.

Trockenmauern sind mehr als nur Landschaftserhalt
In der zerklüfteten Tramuntana dienten Trockenmauern seit Jahrhunderten dazu, Hänge zu stabilisieren, Bewässerungswege anzulegen und das karge Regenwasser möglichst effizient im Boden zu halten. Ohne Zement errichtet, ermöglichen ihre porösen Strukturen das langsame Versickern von Wasser – ein essenzieller Faktor in Mallorcas trockenem Sommerklima. Die Funktion ist bis heute so relevant wie zu ihrer Entstehungszeit.
Die Technik des Trockenmauerbaus
Der Bau einer Trockenmauer beginnt mit dem Fundament – großen, flachen Steinen, die etwa 90 cm breit gelegt werden. Darauf folgt das Herzstück: der sostreig, bei dem kleinere Steine so passgenau gesetzt werden, dass sie sich sicher verkeilen und jede Steinreihe möglichst viele Kontaktpunkte zum Nachbarn hat. Der Hohlraum wird sorgsam mit Geröll gefüllt, um ein stabiles Gefüge zu schaffen. Abgeschlossen wird die Mauer mit der corona, einer abschließenden Krone aus keilförmigen Steinen. Diese Technik verleiht der Wand eine erstaunliche Stabilität, oftmals über Jahrhunderte hinweg – und das ganz ohne Mörtel.
Ein wertvolles Handwerk – die Trockenmauermeister
Bis in die 1980er Jahre galt das Handwerk der Margers, also der Trockenmauermeister, als fast verloren. Doch dann wurde erkannt, dass diese Technik nicht nur kulturell, sondern auch landschaftlich unverzichtbar ist. Deshalb wurde 1986 in Sóller die Escola de Margers gegründet, eine Schule, die das Wissen um den Trockenmauerbau bewahrt und weitergibt. Der Consell de Mallorca übernahm 1988 die Institution und baute systematische Aus- und Weiterbildungen auf – von Kursen bis zur Restaurierung historischer Trockenmauerwerke. So wurde aus einer fast vergessenen Technik ein geschätztes Kulturerbe, das heute aktiv geschützt wird.
Aktiv erlebbar: der Fernwanderweg GR-221 – die Trockensteinroute
Die Trockenmauern sind entlang des GR-221, der Ruta de Pedra en Sec, als lebendige Zeugen der Geschichte erlebbar. Der Fernwanderweg, auch als „Trockensteinroute“ bekannt, führt über etwa 145 km durch die Serra de Tramuntana – vorbei an terrassierten Feldern, historischen Trockenmauern, alten Feldwegen und Ruinen. Der Weg wurde nicht nur touristisch, sondern ökologisch und kulturell erschlossen: Viele Mauern entlang der Route wurden in alter Technik restauriert und laden heute zu wandernden Entdeckungen ein.
Fazit – Stein für Stein verbunden
Trockenmauern auf Mallorca sind weit mehr als landschaftliche Dekoration. Sie sind Zeugnisse jahrhundertealter Anpassung an Boden, Klima und Lebensumstände. Errichtet aus Materialien direkt aus der Umgebung, ermöglichen sie nachhaltige Nutzung, schaffen Lebensraum für Pflanzen und Tiere und prägen das Inselbild bis heute. Dank engagierter Ausbildung und Schutzmaßnahmen bleiben sie ein faszinierendes Kulturerbe – handwerklich, ökologisch und kulturell bedeutend.
WER SCHREIBT HIER?
Ich bin Anja und lebe in Palma de Mallorca. Als Diplom-Geographin entdecke ich leidenschaftlich gern neue Ecken und schreibe hier darüber.
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